Im Wald



Pilzwanderungen

Warst du schon mit einem pilzinteressierten Mensch „wandern“ oder „im Wald spazieren“? Dann weißt du, was ich meine. Natürlich höre ich gerne zu und unterhalte mich, aber halt, warte kurz, bin gleich wieder da! Wovon hast du gerade gesprochen? Echt? Ich glaube hier ist der Boden perfekt für Herbsttrompeten, macht es dir was aus wenn…?

Wenige Menschen können das ertragen, nur Gleichgesinnte oder Bekannte/Freunde/Verwandte die immer schon mal Pilzesammeln wollten. Letztere zählen nicht, sie sind zu unwissend um alleine sammeln zu gehen und deshalb verzweifelt genug, um so einiges auszuhalten.

Ihr anderen: ja, es tut mir leid. Doch, ich verstehe dass ihr immer wahnsinnig viel zu tun habt, obwohl ihr auch so gern spazieren geht wie ich. Kein Problem, wir telefonieren.

Schon optisch unterscheide ich mich von euch, die ihr aus naiven Gründen dahin geht wo’s grün ist. Sneaker vs. robuste Schnürstiefel, figurfreundliche Jeans vs. alte, am Hintern zweimal geflickte Jeans von meinem Mann. Aber das Auffälligste – wir stellen uns hier augenverdrehende, vor Peinlichkeit röchelnde Kinder vor + „Mama, nimmst du jetzt echt den Korb dahin mit?“ – der Korb. Ah, er ist mein Freund. Er ist wundervoll, alles Mögliche kann darin dellenfrei transportiert werden. Da sind immer Stoffbeutel drin (um verschiedene Pilze getrennt zu halten), ein Pilzmesser mit Bürste, der Hausschlüssel am Griff festgebunden. Schon beim Schreiben gerate ich innerlich ins schwärmen. Morgen wieder, mein Lieber.

Motivation. Bei mir ist das genetisch dispositioniert. Mein uralter Großvater erzählt mit warmer Stimme von seiner guten Mutter, die vor hundert Jahren in ihrer Heimat die vier Kinder aus der Natur ernährte. Damals, als es in der kleinen Siedlung im böhmischen Wald nichts gab als ein paar Stücke Obst und ein bisschen was vom Acker. Morgens konnte sie zu den Kindern sagen: „Kommt jetzt gehen wir Essen holen“, erntete im Wald hinterm Haus Pilze in ihre Schürze und auf dem Heimweg über die Wiesen „Salat“, in diesem Fall Wildkräuter.

Die Sammelleidenschaft entbehrt auch heute nicht einer gewissen Zweckmäßigkeit. Pilze sind ein ganz fantastisches Lebensmittel, kosten nichts außer richtig viel Zeit und sind deshalb purer Luxus. Wir haben sie gerne gläserweise getrocknet oder eingemacht, Gefrierschrank füllend und jede Woche auf den Tellern. Ich verschenke sie auch an liebe Menschen.

Damit ist schon der erste Anlass für eine Pilzwanderung beschrieben: zum Essen halt.

Es ist praktisch, über die Jahre so einige versteckte Plätze gefunden zu haben, an denen verlässlich einzelne Arten gesammelt werden können. Wenige hundert Meter von zu Hause kann ich verschiedene Röhrlinge, Leistlinge, Semmelstoppelpilze, Milchlinge, Täublinge, Judasohren und so viele mehr finden.

Wirklich begeistert bin ich von den vielen Arten, die ich neu kennen lernen darf. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, welche Vielfalt es da gibt. Bleibt bitte einfach mal stehen im Wald – nicht nur langsamer laufen! Stehen bleiben, in die Hocke gehen!

Sie sind überall: Auf dem Boden große, kleine, winzige. An alten Baumstümpfen, verrottenden Ästen, am lebenden Gehölz. Manche davon kenne ich seit ich denken kann, andere sind aufregend und wecken detektivischen Spürsinn in mir. Ich erkunde den Wald, achte auf die Bäume, die Bodenbeschaffenheit, die bodenbedeckenden Wildkräuter. Dazwischen Käfer, Spinnen, Stechfliegen, Vogelzwitschern, Tierspuren. Endlos ließen sich die Eindrücke aufzählen. Es ist so laut auf den Augen und im Kopf.

Pilze zu sammeln und die vielen Eindrücke zu sortieren ist wahnsinnig spannend. Kommt mit, ich zeige euch was ich meine!


Waldfrüchte

Mit den Pilzen ist es nicht getan, ausserdem schleppe ich im Oktober größere Mengen Kastanien nach Hause. Für’s Kastanienfeuer, zum Kochen, für Crème de Marrons, immer auch mit dem Vorsatz jetzt aber endlich wieder Kastanienmehl zu machen. Ist nicht so einfach. Also doch schon. Sagen wir, es ist ein Mehl der Superlative. Schmeckt köstlich, in der Herstellung aber sehr aufwändig und extrem zeitintensiv…

Dann gibt es Wildkräuter die besonders gern im Schatten wachsen. Bärlauch, um nur das Bekannteste zu nennen. Überhaupt duftet meine Küche im Frühling immer so gut nach Kräutern. Wie herrlich ist ein bunter Salat aus frisch gesammelten Schätzen, wenn die Wiesen endlich wieder in frischem Grün leuchten und die ersten bunten Blüten gesammelt werden können!

Ja, das geht immer so weiter. Beeren aller Arten sind da, die frischen Triebe der Tannen. Es gibt so viel zu erzählen!